Halbzeit

Fordernd wie nie waren die Rahmenbedingungen für die Arbeit des 2020 angetretenen IV-Präsidiums. Im Halbzeit-Interview zieht IV-Präsident Georg Knill Bilanz – und erklärt seine Pläne bis 2024.

Corona-Pandemie, Regierungsumbildungen, Ukraine-Krieg, historische Teuerung, Energiekrise, Arbeitskräftemangel – turbulentere Rahmenbedingungen für ein IV-Präsidium als jene in den vergangenen zwei Jahren sind eigentlich nicht vorstellbar…

Nein, wirklich nicht! Umso erfreulicher ist es, dass wir in diesen beiden Jahren einiges erreichen konnten, wie beispielsweise massive Entlastungen für unsere Betriebe und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Durch einmalige Maßnahmen gab es bereits eine Entlastung von über 37 Milliarden Euro. Maßnahmen wie die schrittweise Senkung der KÖSt und die Senkung der Lohnnebenkosten bringen ein jährliches Entlastungsvolumen von circa 3,5 Milliarden Euro. Entlastung gerade in herausfordernden Zeiten ist und bleibt das Gebot der Stunde für eine erfolgreiche Industrie.

Das Entlastungspaket der Bundesregierung bringt weitere Maßnahmen, die die Handschrift der Industrie tragen. Was war Ihnen besonders wichtig?

Zum einen natürlich die kurzfristig wirksamen Maßnahmen wie die Strompreiskompensation und der Direktzuschuss für energieintensive Unternehmen. Das sind gemeinsam über 700 Millionen, die jetzt wirksam werden. Wir fordern natürlich eine Ausweitung über 2022 hinaus, denn die Energiekrise ist mit Jahresende nicht beendet. Auch die steuerfreie Mitarbeiterprämie ist in Zeiten des Fachkräftemangels als wertschätzendes Instrument durchaus wesentlich. Zum anderen sind die strukturellen Maßnahmen, wie die Abschaffung der kalten Progression mit einem Volumen von 16,5 Mrd. Euro bis 2026 und die weitere Senkung der Lohnnebenkosten um drei bis vier Milliarden Euro im gleichen Zeitraum wichtige Schritte. Bei den Lohnnebenkosten sind natürlich weitere Senkungen geboten, um auch zukünftig unsere Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.

Sie haben den Fachkräftemangel angesprochen, der sich nach der Corona-Pandemie zu einem Arbeitskräftemangel weiterentwickelt. Wie kommen die Industriebetriebe zu den Mitarbeitern, die sie brauchen?

Das Problem weitet sich für den gesamten Standort und über alle Branchen aus. Wenn Aufträge nicht angenommen werden können, weil das Personal fehlt, verschlechtert das unsere Wachstumschancen massiv. Die von uns nachdrücklich geforderte Reform der RWR-Karte ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, damit die Betriebe zu Schlüsselkräften kommen. Dem müssen weitere Schritte folgen: Frauen und ältere Personen müssen ebenso besser für den Arbeitsmarkt mobilisiert werden, wie Jüngere für Berufsausbildungen. Knapp jedes dritte Unternehmen strebt laut aktuellem IV-Konjunkturbarometer die Anstellung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an. Das heißt: Unsere Betriebe wollen Arbeitsplätze schaffen, finden aber nicht die passenden Personen. Hier besteht auch Handlungsbedarf bei der geplanten Arbeitsmarktreform. Wir brauchen jedenfalls eine umfassende Fach- und Arbeitskräftestrategie zur nachhaltigen Bekämpfung des Mangels. Das ist auf unserer Agenda ganz weit oben.

Was erwarten Sie sich außerdem für die zweite Hälfte Ihrer Amtsperiode von der Politik?

Vor allem Augenmaß und wirtschaftspolitische Vernunft. Wozu es auf keinen Fall kommen darf, sind neue Belastungen. Die Vermögenssteuervorschläge der jüngeren Vergangenheit sind ebenso unverantwortlich wie Belastungen unter dem Vorwand des Klimaschutzes. In der Energiepolitik muss die Regierung endlich ihre Hausaufgaben machen. Zum raschen Ausbau der Energieinfrastruktur gibt es keine Alternative. Wer Energiewende sagt, muss auch für eine rasche Beschleunigung bei den Verfahren sorgen. Und natürlich muss die Politik auch mehr Effizienz durch Strukturreformen schaffen. Geld ist schließlich nicht abgeschafft.

Sie haben es in Ihrer bisherigen Amtszeit mit drei Kanzlern und auch mit drei Gesundheitsministern zu tun gehabt. Was bedeutet das für die politische Interessensvertretung?

Wir sind als Industriellenvereinigung exzellent aufgestellt und haben trotz aller politischen Umbildungen immer einen intensiven Austausch mit möglichst vielen relevanten Stakeholdern gepflegt. Ich selbst habe in den vergangenen zwei Jahren rund 500 IV-Termine wahrgenommen – etwa mit Angela Merkel, Sebastian Kurz, allen Regierungsmitgliedern oder mit Ministern in Zentral- und Osteuropa. Das persönliche Gespräch ist und bleibt ein wichtiges Instrument unserer Interessenvertretung.

Wie wird sich die IV als Interessenvertretung weiterentwickeln?

Unser Ziel sind Vertiefung und die Positionierung der IV als moderne Netzwerkorganisation. Deshalb werden wir auch im Herbst das neue IV Media Center eröffnen. Bei aller notwendigen Verstärkung der Kommunikation und Außenwirkung ist mir aber auch die inhaltliche Grundlagenarbeit sehr wichtig. Deshalb haben wir uns bereits zu Beginn meiner Amtszeit der Erstellung einer umfassenden Strategie für den Standort Österreich gewidmet. Unsere Task Force zum Standortfaktor Energie hat ebenso wertvolle Grundlagen geschaffen, die wir jetzt interessenpolitisch ausspielen. Wer aus der Industrie kommt, weiß: Erfolg braucht ein starkes Fundament. Das bauen wir auch in der Industriellenvereinigung stetig aus.