Die Welt dreht sich auch ohne Europa

Gut gemachter Freihandel ist der Rahmen für die international vernetzte Wirtschaft. Gerade für Österreich und die EU bieten sich hier Chancen, die nicht verpasst werden dürfen. Statt Neo-Biedermeier wäre in Sachen Welthandel Weltoffenheit gefragt.

Mythen statt Fakten – kaum ein Wirtschaftsthema polarisiert so stark wie die Diskussion über internationalen Handel. Dabei veranschaulicht der aktuelle OECD-Bericht „Using trade to fight COVID-19“, warum die weltweite Arbeitsteilung unseren Alltag verbessert. Ohne internationale Wertschöpfungsketten und eine global vernetzte Wirtschaft gäbe es keine Corona-Vakzine. Ob Phiolen aus Italien, Gefrierschränke aus China, Spritzen aus den USA oder Konservierungsstoffe aus Deutschland – dass Menschen bereits 10 Monate nach Ausbruch der Pandemie geimpft werden konnten, verdanken wir der internationalen Zusammenarbeit.

Exportland Österreich braucht Handelsabkommen

Ein Blick auf die Wachstumszahlen macht deutlich, warum hohe Lebensqualität und Arbeitsplätze in Europa und Österreich mehr am Zusammenwachsen der Welt als an Anti-Freihandels-Demos hängen.

Mit einer Exportquote von 53 Prozent ist Österreich ein Exportland. Heimische Unternehmen und ihre Beschäftigten erwirtschaften mit ihren Erfolgen auf internationalen Märkten mehr als die Hälfte unseres Wohlstandes. Direkt oder indirekt zunehmend dort, wo Wachstum, Investitionen und Handel stattfinden – außerhalb Europas.

Völlig zu Recht werden Exporte in der Öffentlichkeit positiv wahrgenommen. Rund 660.000 Arbeitsplätze hängen alleine in Österreich an Ausfuhren in Länder außerhalb der EU. Im Widerspruch dazu steht die Hexenjagd, die regelmäßig auf Freihandelsabkommen veranstaltet wird. Denn gut gemachte, moderne Handelsverträge sind notwendige Türöffner für Exporte, schaffen faire Wettbewerbsbedingungen und damit unseren Wohlstand. Beispiel CETA: Trotz Corona war der bilaterale Handel zwischen EU und Kanada im Jahr 2020 um 15 Prozent höher als 2016, bevor das Abkommen in Kraft getreten ist.

Dynamische Regionen warten nicht auf Europa

Statt Neo-Biedermeier ist Weltoffenheit gefragt – gerade, was den internationalen Handel betrifft. Dynamische Regionen, wie der Asien-Pazifik-Raum, warten nicht. Das RCEP-Abkommen mit China, Australien und weiteren 13 Staaten vereint 2,2 Mrd. Menschen und 30 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung. Mit einem BIP von 25 Bio. Dollar liegt auch die nordamerikanische NAFTA-Region deutlich vor der EU.

Europa und Österreich brauchen eine aktive europäische Handelspolitik, die weltweiten Marktzugang schafft und faire Handels- und Investitionsregeln durchsetzt. Gleichzeitig muss die EU eine Lösung finden, wie sie mit den beiden größten Volkswirtschaften USA und China, die füreinander Partner und große Konkurrenten sind, umgeht. Wirtschaftliche Interessen, (geo)politische Ziele oder Anliegen der Bürgergesellschaft (Stichwort Menschenrechte oder Umweltschutz) müssen hier klug abgewogen werden. Die Welt ist jedenfalls deutlich komplexer als in einem Social Media-Posting vermittelbar. Eines zeigt die Geschichte jedenfalls: Wirtschaftliche Beziehungen und der Dialog sind wirksame Instrumente, wenn es darum geht, Wohlstand und Demokratie zu stärken sowie entscheidende gesellschaftliche Anliegen voranzutreiben. 

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