Mittelmaß reicht nicht – Strategie für einen starken Standort

In ihrer neuen Strategie für den Standort Österreich 2025+ bringt die Industrie praxisnah auf den Punkt, wie nach Corona Wachstumsbremsen gelockert und neue Schubkraft für Wohlstand und Arbeitsplätze entwickelt werden müssen.

EU-Wiederaufbauplan, Comeback-Plan der Bundesregierung, Standortstrategie der Bundesregierung, EU-Industriestrategie: An Vorhaben und Planungen für die Zeit nach Corona mangelt es derzeit nicht. Für die exponierten Sektoren der Volkswirtschaft – Produktion und damit verbundene Dienstleister – ist wichtig, dass bei allen industriepolitischen Maßnahmen Ambition und Konkretheit der Maßnahmen stimmen.

Mittelmaß und eine bloße Rückkehr auf das Vor-Krisen-Niveau werden nicht ausreichen, um Wohlstand und Lebensqualität in Österreich zu sichern und Arbeitsplätze wiederaufzubauen. Es geht darum, wie der Standort über sich hinauswachsen kann.

Für ihn ist klar: „Das Licht am Ende des ökonomischen Krisen-Tunnels ist ein starker, erfolgreicher Industriestandort Österreich. Er braucht jetzt die besten Rahmenbedingungen, damit der Aufschwung so kräftig, rasch und nachhaltig wie möglich ausfallen kann. Dafür brauchen wir mutige, innovative und vor allem praxisgerechte Maßnahmen, die Österreich deutlich voranbringen.“

Neue Wege gehen 
Vor diesem Hintergrund hat die Industriellenvereinigung mit rund 900 Mitgliedern ein Zukunftsbild für den Standort Österreich 2025+ erarbeitet. „Mit ganz konkreten Ideen und Vorschlägen zeigen wir, wie Wachstumsbremsen gelockert werden können und Schubkraft für Wohlstand und Arbeitsplätze entwickelt wird“, so Knill. Dass die Industrie und die mit ihr verbundenen Sektoren für nachhaltiges Wachstum und Arbeitsplätze in Österreich wichtiger denn je sind und ihre Vorschläge daher besonderes Gewicht haben, steht außer Frage: Trotz der schwersten Wirtschaftskrise der Neuzeit bietet die Industrie im Inland heute um 15 Prozent mehr (!) Arbeitsplätze als noch vor einer Dekade.

Um wieder auf das Vor-Krisen-Niveau zu kommen, muss der Entlastungskurs fortgesetzt werden. Das gilt vor allem für die Körperschaftsteuer und die Lohnnebenkosten. Damit wir über uns hinauswachsen können, braucht es neue Ansätze und Ideen. Qualifizierung, Digitalisierung und Ökologisierung sind dabei die big three.

Eigene Agentur für Fachkräfte

Ein wichtiges Anliegen der IV-Strategie ist die für die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts zukunftsentscheidende Fachkräftesicherung. Sie ist ein wichtiger Hebel für zukunftsorientierte Wertschöpfung. Während die USA und China für die Hälfte des weltweiten Wertschöpfungszuwachses im Jahr 2021 stehen, trägt die EU lediglich 13 Prozent zum globalen BIP bei. „Für erfolgreiche digitale Transformation und Innovationskraft braucht es beste Qualifizierung. Trotz derzeit hoher Arbeitslosigkeit sind zahlreiche Betriebe vor allem in industriestarken Regionen wieder verstärkt mit einem Fachkräftemangel konfrontiert, der ihre Wettbewerbsfähigkeit massiv einschränkt“, so Neumayer. Als konkrete Maßnahmen regt die IV die Schaffung einer Fachkräfteagentur an, deren Aufgabe die Steuerung der mittel- und langfristigen Fachkräfteentwicklung sein soll. Auf Basis eines Fachkräftemonitorings sollen klare und verbindliche Aussagen zur erwartbaren Kompetenzentwicklung getroffen und konkrete Empfehlungen für deren Entwicklung in der Aus- und Weiterbildung, der Arbeitsmarktpolitik und der Wirtschaft gegeben werden. Das vorhandene Wissen muss vernetzt werden und in verbindliche Maßnahmen, beispielsweise in den Bildungseinrichtungen, gegossen werden. Außerdem empfiehlt die Industrie die Aufwertung der dualen Lehrausbildung und attraktive Modelle für die Lehre nach der Matura.

Investitionen durch Industrie

Dekarbonisierungs-Fonds Um die digitale Transformation voranzutreiben, empfiehlt die Industriestrategie, Technologie-Frontrunner aus Österreich gezielt zu stärken. „Unser Ziel sind agile und resiliente Wertschöpfungsnetzwerke und ein wettbewerbsfähiger, innovativer und nachhaltiger Produktionssektor mit einem starken Ökosystem aus Leitbetrieben, KMU und Jungunternehmen in Österreich“, so IV-Präsident Georg Knill. Um die Zukunftsfähigkeit des Standortes nachhaltig zu stärken, plädiert die IV für Maßnahmen für die heimischen energieintensiven Unternehmen beim Übergang zur Energiewende. „Nachhaltiger Klimaschutz und energieintensive Produktion können und müssen eine gemeinsame Zukunft in Österreich haben. Es braucht eine Kompensation der Kosten, die nicht am weltweiten Markt untergebracht werden können. Konkret schlagen wir hier einen Industrie-Dekarbonisierungs-Fonds vor, der energieintensive Unternehmen dabei unterstützt, kräftige Investitionen in die Zukunft zu tätigen“, so Knill. Der Fonds soll Projekte des Innovationsfonds des Europäischen Emissionshandelssystems (ETS) oder von Investitionen bei den europäischen Großprojekten IPCEI Wasserstoff und Low Carbon Industries kofinanzieren. Außerdem soll der Industrie-DekarbonisierungsFonds die Erforschung, Herstellung und Nutzung von alternativen Treibstoffen finanziell mittragen. Auch Beihilfen zur Kompensation von durch das ETS verursachten Strompreissteigerungen sowie klimapolitisch bedingte Kosten für CO2-reduzierte Produktion sollen über den Fonds finanziert werden, regt die IV in ihrer Strategie an.

Entlastungskurs fortsetzen

Unverzichtbar ist es aus Sicht der Industrie, den eingeschlagenen Entlastungskurs konsequent fortzusetzen. Konkrete Maßnahmen sind die notwendige Stärkung des Eigenkapitals, um Unternehmen krisenfester zu machen, und die Senkung der Körperschaftsteuer auf 21 Prozent. Ebenfalls dringend notwendig ist die Senkung der Lohnnebenkosten in Richtung deutsches Niveau, das mehr als vier Prozentpunkte niedriger liegt als das österreichische. IV-Generalsekretär Neumayer: „Das kann ein Impuls sein, um die Arbeitslosigkeit zu senken – ebenso wie die zeitliche Förderung der Lohnnebenkosten bei von Arbeitslosigkeit besonders stark betroffenen Gruppen.“ Damit Österreich möglichst rasch wieder das Vor-Krisen-Niveau erreichen und überschreiten kann, ist ein investitionsfreundliches Klima notwendig. Die Industrie plädiert daher für die Wiedereinführung des Investitionsfreibetrags. Ein Freibetrag für 30 Prozent der Investitionskosten z.B. für Maschinen oder Produktionsgebäude könnte für ökologisch sinnvolle Investitionen noch erhöht werden – analog zur, zeitlich begrenzten, jetzigen Investitionsprämie. Um den Kapitalmarkt zu stärken, empfiehlt die Industrie die Einführung der Behaltefrist bei der Kapitalertragsteuer. Entlastung ist natürlich auch bei Genehmigungsverfahren angesagt – vor allem bei wichtigen Infrastruktur- und Energieprojekten. Denn eine sichere, intelligente und leistungsfähige Infrastruktur und deren ressourceneffiziente Bewirtschaftung sind die tragenden Elemente von Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand. Insbesondere bedarf es einer Straffung der Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren, einer Reform des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes sowie der Verfahren vor den Bundesverwaltungsgerichten, lauten die konkreten Vorschläge der IV-Strategie.

Exporte stärken

Die Corona-Pandemie hat als – unfreiwilliges – Realexperiment vermittelt, wie stark Österreichs Wohlstand und seine Arbeitsplätze am Erfolg der Exportwirtschaft hängen. „Gerade für ein kleines Land wie Österreich ist es essenziell, dass die Unternehmen wieder ungehindert weltweit aktiv und erfolgreich sein können. Denn Österreich ist ein Exportland. 53 Prozent unseres Wohlstandes erwirtschaften Unternehmen und ihre Beschäftigten mit ihren Erfolgen auf den internationalen Märkten. Die Unterstützung von Exporten und der bestmögliche Zugang zu dynamischen Märkten sind zur Überwindung der Krise entscheidend“, so IV-Präsident Georg Knill. Der Wettlauf um Marktzugänge gewinnt an Dynamik, wie sich an den zuletzt entstandenen Freihandelszonen im asiatischen (RCEP) und transpazifischen (CPTPP) Raum zeigt. Konkrete Forderungen der Industriestrategie: Mit den USA sollen Gespräche über ein transatlantisches Abkommen aufgenommen werden. Ein faires EU-Mercosur-Abkommen, das gerade (!) auch für Umweltschutz in den Partnerländern sorgt, muss umgesetzt werden, Auch der Anschluss an andere dynamische Wirtschaftsräume, etwa Australien, soll durch Abkommen gesichert werden. Am Ball ist die EU auch mit Blick auf einen notwendigen Belastungs-Stopp: Es soll ein Moratorium auf Belastungen für Wirtschaft und Industrie in sämtlichen EU-Politikbereichen geben, erwartet sich Österreichs Industrie. Das alles ist kein wirtschafts- und industriepolitischer Selbstzweck, sondern gerade jetzt für den Standort erfolgsentscheidend: „Die Industrie bietet selbst in der schwersten Wirtschaftskrise sichere Arbeitsplätze, überdurchschnittliche Einkommen, umweltschonende Technologien und hochwertige Produkte. Nur wenn es gelingt, Österreich als Industrieland zu stärken, können alle von diesen Vorteilen profitieren“, bilanzieren Knill und Neumayer.

Foto: IV


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