Kommentar: Grundlage für globale Partnerschaften auf Augenhöhe schaffen!

Wir müssen die Lehren aus der Energiekrise ziehen, um die Fehler nicht bei strategischen Produkten wie Halbleitern zu wiederholen. Dazu müssen wir in unsere Stärken investieren und kluge Partnerschaften schließen.

Die Heizsaison ist vorbei und es werden wohl wieder einige Monate vergehen, bis sich Bürgerinnen und Bürger, Medien und Politik wieder fragen, wie klug es ist, dass wir bei Strom und Wärme weiterhin massiv von Gaslieferungen aus Russland abhängig sind. Keine Frage, die Energiekrise, die der russische Angriffskrieg mit all seinen politischen und wirtschaftlichen Folgen ausgelöst hat, hat den Ausbau von Erneuerbare-Energie-Anlagen massiv beschleunigt. Aber zu glauben, dass uns der grüne Umbau des Energiesystems vollständig unabhängig von Staaten macht, deren Handeln wir verurteilen und deren Werte wir nicht teilen, ist naiv.

Jene Industrien, die die Grundlagen für die Energiewende liefern, sind global aufgestellt, und das wird und kann sich nicht ändern. Das muss aber nicht notwendigerweise eine einseitige Abhängigkeit bedeuten. Dass Russland als dominierender Gaslieferant unsere Energieversorgung als politisches Druckmittel benutzen kann und schon benutzt hat, sollte uns lehren, die europäische Position in einer globalisierten Welt so zu stärken, dass die Kräfteverhältnisse und die Balance stimmen. Bei Mikrochips, die die Basis für ungemein viele Zukunftsanwendungen und damit auch die Energiewende sind, kann uns das gelingen, wenn wir jetzt die richtigen Schritte und Strategien setzen.

Ein wichtiger Schritt betrifft die Rohstoffe, die für die Halbleiterproduktion benötigt werden: Vorausgesetzt, es gefährdet dies kein weiterer kriegerischer Konflikt im Pazifik, werden wir diese auch in Zukunft aus China beziehen – aber sinnvollerweise nicht nur und nicht im aktuellen Ausmaß. Eine Chance zur Diversifizierung liegt in einer Handelspartnerschaft mit der Mercosur-Region in Südamerika. Ein weiterer wichtiger Schritt Richtung Unabhängigkeit ist die Chip-Produktion in Europa.

Dabei geht es nicht um eine Autarkie, sondern eine strategische Autonomie – das ist ein wichtiger Unterschied.

Wir werden in Zukunft weiterhin Halbleiter aus asiatischen Ländern beziehen. In bestimmten Bereichen der Halbleiterindustrie ist aber Europa führend, etwa in der Sensorik und der Mikroelektronik, die für die Energiewende besonders wichtig sind und überall auf der Welt benötigt werden. Hier zu investieren und diese Kompetenz nicht zu verlieren, sondern sie im Gegenteil massiv auszubauen, stärkt die Position Europas im geopolitischen Machtgefüge. Das ist die Grundlage für Partnerschaften auf Augenhöhe. Das dürfen wir nicht vergessen, wenn wir auf europäischer Ebene die Basis für Investitionen in die Halbleiterproduktion oder künstliche Intelligenz (Chips Act, AI Act) legen – oder zögern, wenn es um strategisch wichtige Handelspartnerschaften (Mercosur) geht.


Die Redaktion weist darauf hin, dass Redaktionsschluss der vorliegenden Ausgabe der iv-positionen der 5. Mai war.