Die Lage der Tiroler Industrie in drei Grafiken

Die Tiroler Industrie kämpft seit zwei Jahren mit einer Rezession, massiv gestiegenen Lohnstückkosten und einer stagnierenden Exportentwicklung. Welche Auswirkungen diese Herausforderungen auf Wettbewerbsfähigkeit und den Wohlstand im Land haben, zeigen die folgenden drei Grafiken.

Es liegt in der Natur der Sache, dass Wirtschaftsverbände wie die IV Tirol nichts unversucht lassen, um sich für die Interessen ihrer Mitglieder einzusetzen und aufzuzeigen, was aus ihrer Sicht im Land derzeit falsch läuft. Wer aber zu lange immer wieder vor einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen warnt, dem wird schnell Alarmismus und Schwarzmalerei vorgeworfen. Die Lage sei doch gar nicht so schlecht, heißt es schnell. Das alles wäre doch bloß Jammern auf hohem Niveau. Betrachtet man jedoch die aktuelle Datenlage und die Entwicklung der Stimmung innerhalb des produzierenden Sektors, dann wird schnell klar: Die Tiroler Industrie steht vor gewaltigen Herausforderungen, die ungelöst bald alle Tirolerinnen und Tiroler betreffen könnten – denn mit 38,9 Prozent direktem, indirektem und induziertem Anteil an der regionalen Bruttowertschöpfung ist die Industrie der Motor der Tiroler Wirtschaft.

Dieser Wirtschaftsmotor ist aber ins Stocken geraten: Seit zwei Jahren befindet sich die Tiroler Industrie in einer Rezession, die frühestens im Jahr 2025 ein Ende finden wird. Verschärft wird die Lage durch die explodierenden Lohnstückkosten, die die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen massiv beeinträchtigen. Die Folgen sind weitreichend: Eine gedrückte Stimmung, stagnierende Exporte und Wertschöpfungsverluste im produzierenden Bereich. Diese Entwicklungen verdeutlichen, wie dringend Maßnahmen erforderlich sind, um die Tiroler Industrie aus der Krise zu führen. Die folgenden drei Grafiken zeigen, in welcher schwierigen Situation sich unsere Tiroler Industriebetriebe gerade befinden:

IV-Tirol-Geschäftsklimaindex: Stimmung auf Zehn-Jahres-Tief

Trotz eines leichten Anstiegs im letzten Quartal befindet sich der IV-Tirol-Geschäftsklimaindex weiterhin auf einem Zehn-Jahres-Tief. Die Stimmung in der Tiroler Industrie ist von Nervosität und Unsicherheit geprägt, was sich direkt auf die Investitionsbereitschaft, Zukunftserwartungen der Unternehmen und auch die Akquise potenzieller Mitarbeitender auswirkt. Mit einem Wert von zwölf Punkten hat sich der IV-Tirol-Geschäftsklimaindex zwar von seinem bisherigen Tiefpunkt im 3. Quartal 2023 erholt (fünf Punkte), ist aber weit von einer nachhaltigen Erholung entfernt. Ohne eine spürbare Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und gezielter Wachstumsimpulse werden sich die Erwartungen auch in den kommenden Monaten kaum aufhellen. Es bleibt zu hoffen, dass sich die konjunkturelle Lage zu Beginn 2025, wie von WIFO und IHS prognostiziert, wirklich zu verbessern beginnt. Ausschlaggebend dafür könnte die weitere Senkung des Leitzinssatzes durch die EZB sein – ein Schritt, der die finanziellen Bedingungen verbessern und wieder zu mehr Investitionen und gesteigerter (inter-)nationaler Nachfrage, vor allem im B2B-Bereich, führen sollte.

Bedenkliche Entwicklung der Lohnstückkosten

Die zweite Grafik, recherchiert und erstellt von der Denkfabrik Agenda Austria, zeigt die besorgniserregende Entwicklung der Lohnstückkosten in Österreich. Im Vergleich zu unseren europäischen Nachbarn sind die Kosten förmlich explodiert. Verantwortlich dafür sind die hohen Lohnabschlüsse der letzten Jahre, angetrieben von einer außergewöhnlich hohen Inflation in Österreich. Diese Entwicklung setzt global agierende Tiroler Industrieunternehmen erheblich unter Druck, da sie ihre Produkte auf den internationalen Märkten zunehmend teurer anbieten müssen. Während die Konkurrenz aus anderen Ländern von moderateren Kostensteigerungen profitiert, schwindet die Preiswettbewerbsfähigkeit der Tiroler Industrie dramatisch. Ohne Gegenmaßnahmen – wie der Senkung der Lohnnebenkosten – droht ein dauerhafter Verlust von Marktanteilen, der sich langfristig negativ auf die gesamte Wertschöpfung und damit auch auf die Schaffung neuer Arbeitsplätze und die Entwicklung des Wohlstands in Tirol auswirken wird.

Kein weiteres Wachstum bei Direktexporten

Die dritte Grafik zeigt die aktuelle Stagnation bei den Direktexporten, die für die Tiroler Industrie als die treibende Kraft hinter dem Tiroler Außenhandel, von entscheidender Bedeutung sind. Nach Jahren kontinuierlichen Wachstums stagnieren die Exporte nun zum ersten Mal seit 2013 bei einem Wert von 16,6 Milliarden Euro. Alarmierend ist, dass diese Entwicklung nicht nur auf globale Unsicherheiten, sondern vor allem auf die gestiegenen Lohnstückkosten und die damit verbundene sinkende Wettbewerbsfähigkeit zurückzuführen ist. Während andere europäische Länder von der Erholung der Weltwirtschaft profitieren, die heuer im Schnitt um 3,2 Prozent wachsen wird, sehen sich Tiroler Unternehmen zunehmend mit Absatzschwierigkeiten auf den internationalen Märkten konfrontiert. Diese Stagnation ist ein klares Warnsignal dafür, dass die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Tiroler Industrie gefährdet ist.

Boost für die Wettbewerbsfähigkeit

Die wirtschaftliche Lage der Tiroler Industrie ist kritisch. Die Kombination aus schlechter Stimmung, massiv gestiegenen Lohnstückkosten und einer schwachen Exportentwicklung macht deutlich, dass dringend gehandelt werden muss. Die IV Tirol fordert von der Bundespolitik daher eine rasche Senkung der Lohnnebenkosten, eine Reduzierung der Bürokratie und gezielte Entlastungen bei den Energiekosten. Nur durch diese Maßnahmen kann die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen wiederhergestellt und ihnen die Möglichkeit gegeben werden, wieder zu wachsen und in die Region und ihre Menschen zu investieren. Auf regionaler Ebene wird weiterhin mit aller Kraft daran gearbeitet, die Leitprojekte des „Strategischen Aktionsprogramms der Tiroler Industrie 2030“ so schnell wie möglich umzusetzen, um auch in Tirol alles dafür zu tun, die Wettbewerbsfähigkeit unseres Bundeslandes zu verbessern und unseren Standort zu einer der TOP 20 Industrieregionen Europas zu machen. Es ist jetzt entscheidend, die Weichen für eine positive wirtschaftliche Zukunft zu stellen, in der unsere Industrieunternehmen auch weiterhin in unserem Land produzieren und ihrer Rolle als Garanten für Wohlstand und sichere Arbeitsplätze nachkommen können.

Quellen:

Grafik 1: IV-Tirol-Geschäftsklimaindex
Grafik 2: Agenda Austria
Grafik 3: Statistik Austria / Landesstatistik Tirol

Grafiken