Europapolitik

Industrie: COVID-19-Krise falscher Zeitpunkt für neuerlichen EU-Alleingang

IV-GS Neumayer: Neue Klimaschutzziele nach Stabilisierung der Wirtschaft – Wiederaufbauplan ambitioniert und zukunftsorientiert ausgestalten

„Die Kommission plant ihre neue Wachstumsstrategie weiter umzusetzen“, fasst der Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV), Christoph Neumayer, die erste Rede zur Lage der Union von Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen zusammen. Die drei Säulen der Kommission „der European Green Deal, das digitale Zeitalter und eine soziale Wirtschaft“ und die damit verbundenen Gesetzesvorschläge müssten dabei aber auch Rücksicht auf die von der COVID-19-Krise stark getroffene Wirtschaft nehmen.

Druck auf Europas Wirtschaft noch einmal erhöht

So sei die angekündigte Überarbeitung des Wettbewerbsrechts, um dieses besser an internationale Gegebenheiten anzupassen oder der Ausbau von Europas digitalen Kapazitäten essenziell. Neumayer betont allerdings: „Die Erhöhung der geplanten Ziele zur Reduktion der Treibhausgasemissionen bis 2030 von bisher 40 auf mindestens 55 Prozent würden aber den Druck auf Europas Wirtschaft noch einmal erhöhen – und das mitten in einer der größten Wirtschaftskrisen seit Jahrzehnten.“ Die Industrie plädiert dafür zunächst die Wirtschaft zu stabilisieren und erst dann neue politische Zielsetzungen zu verkünden. Österreich müsse bereits größte Anstrengungen unternehmen, um das bestehende Ziel zu erreichen. Daher sei völlig offen, wie eine solche Ziel-Erhöhung konkret in den zentralen Bereichen Verkehr und Haushalte umgesetzt werden könne.

Die Ankündigung eines europäischen Rahmens für Mindestlöhne sieht die Industrie kritisch: „27 sehr unterschiedliche, historisch gewachsene Systeme können nicht über einen Kamm geschoren werden. Es muss sichergestellt bleiben, dass nicht in autonome Lohnfindungssysteme in Form von Kollektivvertragsverhandlungen eingegriffen und dadurch rechtliche Unsicherheiten geschaffen werden.“

Schwerpunktsetzung auf Forschung, Entwicklung, Innovation, Technologie und Digitalisierung

Unterstützenswert sei die Ankündigung der Präsidentin, ein gemeinsames, europäisches Vorgehen zur Bewältigung der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Krise voranzutreiben. Entscheidend dafür sei ein funktionierender europäischer Binnenmarkt ohne physische und administrative Barrieren. Auch die von der Kommission geschnürten Hilfsprogramme und das 750 Mrd. Euro starke Wiederaufbau-Instrument NextGenerationEU müssen „als einmalige Chance wahrgenommen werden und größtmögliche Hebelwirkungen entfalten“. „Dieses Geld muss effizient und wirkungsorientiert zur Bewältigung der Krise und flankierend zu den ambitionierten Klimazielen eingesetzt werden. Dabei muss auch auf Konditionalität der Mittelverwendung in den EU-Staaten geachtet werden“, so Neumayer. Wichtig sei zudem den nationalen, österreichischen Wiederaufbauplan ambitioniert und zukunftsorientiert auszugestalten. „Es braucht dabei eine eindeutige Schwerpunktsetzung auf eine Investitionsoffensive sowie auf Forschung, Entwicklung, Innovation, Technologie und Digitalisierung“, erklärte Neumayer abschließend.