Anwendungsfelder Künstlicher Intelligenz für die Industrie, Entbürokratisierung und die Steigerung der angeschlagenen Wettbewerbsfähigkeit: Bei der 3. Sitzung von Vorstand und Beirat der IV Tirol wurden aktuelle Herausforderungen analysiert und die weitere Umsetzung des Strategischen Aktionsprogramms der IV Tirol besprochen.
Wie kann Tirols Industrie mit technologischen und wirtschaftlichen Umbrüchen Schritt halten? Welche Reformen braucht es, um Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft zu sichern? Und wie muss sich das Zusammenspiel von Wirtschaft, Verwaltung und Wissenschaft verändern, damit die anstehende digitale und grüne Transformation gelingt? Diese Fragen standen im Zentrum der dritten Sitzung von Vorstand und Beirat der IV Tirol, die am 9. September 2025 im Tiroler Haus der Industrie abgehalten wurde.
Breu: Mit Aufbau von KI-Expertise jetzt beginnen
Ruth Breu, Leiterin des Instituts für Informatik der Universität Innsbruck sowie des Digital Innovation Hub West der Universität Innsbruck, unterstrich in ihrem Vortrag die wachsende Bedeutung von Künstlicher Intelligenz für Industrie, Wirtschaft und Gesellschaft. KI sei längst keine experimentelle Zukunftstechnologie mehr, sondern werde gezielt genutzt, um Wertschöpfungsketten, Arbeitsorganisation und Entscheidungsprozesse zu optimieren. Unternehmen wie BMW nutzen KI heute durchgängig – von der Simulation über die Produktion bis zur Kundenbetreuung. Breu betonte, dass der Einsatz von KI-Systemen im Unternehmen stets einer differenzierten Bewertung unterzogen werden müsse. Besonders wichtig sei die Analyse der konkreten Anforderungen an Qualität, Fehlertoleranz und Energieeffizienz. Nicht in allen Fällen seien große, cloudbasierte Modelle notwendig. Für viele Anwendungen könnten kleinere, effizientere und lokal betreibbare Systeme zielführender sein. Wichtig sei es in jedem Fall, unternehmensintern Expertise aufzubauen. Der Aufbau interner Innovationsteams, unterstützt durch wissenschaftliche Partner wie die AI Factory Austria, könne helfen, geeignete Anwendungsfelder zu identifizieren und umzusetzen. Breu regte zudem die Gründung eines industrienahen Beirats an, der Kooperationsprojekte zwischen Forschung und Industrie systematisch entwickelt und begleitet – mit dem Ziel, vorhandene Potenziale in den Unternehmen zu heben und weiterzuentwickeln.
Kloger: Wettbewerbsfähigkeit in Gefahr
IV-Tirol-Präsident Max Kloger warnte in seinem Bericht vor den akuten Belastungen, mit denen die Tiroler Industrie aktuell konfrontiert ist. Die Entwicklung zentraler Standortfaktoren sei besorgniserregend: Seit 2019 sind die Lohnstückkosten um 15,3 % gestiegen, seit 2021 haben sich die Energiekosten mehr als verdoppelt. Hinzu kommt eine wachsende Bürokratielast, verursacht etwa durch neue EU-Vorgaben mit einem Umfang von über 20 Millionen Wörtern. Für viele Unternehmen – insbesondere für mittelständische Betriebe – sei das kaum noch bewältigbar. Kloger forderte daher eine faktenbasierte und sachliche Debatte über Leistungsanreize, Pensionsantrittsalter und realistische Arbeitszeitregelungen – auch im internationalen Vergleich. Gerade in Anbetracht eines Mindesturlaubsanspruchs von 38 Tagen und der steigenden Zahl an Kur- und Abwesenheitstagen dürfe der wirtschaftliche Realitätsbezug nicht verloren gehen. Der Präsident unterstrich die Forderung der IV Tirol nach einer industriepolitischen Gesamtstrategie auf Bundesebene, die klare Prioritäten setzt und nicht Symptome, sondern Ursachen adressiert. Nur so könne die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Industrie gesichert und der Standort Tirol langfristig gestärkt werden.
Mairhofer: Maßnahmenmix zur Standortstärkung
IV-Tirol-Geschäftsführer Michael Mairhofer stellte im Anschluss zentrale Projekte der IV Tirol vor – darunter die geplante digitale Reform von Genehmigungsverfahren im Rahmen des Tirol Konvents. Gemeinsam mit dem Land Tirol und der WK Tirol entsteht derzeit eine digitale Plattform, die Verfahren effizienter und wirtschaftsfreundlicher gestalten soll. Die digitale Verfahrensplattform wird 2026 mit Beteiligung von IV-Mitgliedsbetrieben in den Pilotbetrieb gehen. Begleitend dazu startet im Herbst ein Strategieprozess, in dem Vertreter aus Industrie, Tourismus und Wirtschaft konkrete Anforderungen definieren. Für Mairhofer ist klar: Die Plattform ist nur ein technisches Werkzeug – entscheidend sei das Mindset in den zuständigen Behörden. „Ohne ein neues Amtsverständnis wird das Projekt scheitern. Es braucht eine Verwaltung, die wirtschaftsfreundlich denkt, kooperativ handelt und Projekte ermöglicht – nicht eine, die sie verzögert“, so Mairhofer. Ein weiterer Punkt auf der Agenda war die internationale Erreichbarkeit des Standorts. Michael Mairhofer präsentierte das Konzept einer sogenannten „virtuellen Airline“, das derzeit in einer externen Machbarkeitsstudie für Tirol geprüft wird – nach dem Vorbild einer bereits umgesetzten Lösung in Paderborn. Ziel ist es, durch wirtschaftlich abgesicherte Flugverbindungen die internationale Anbindung des Flughafens Innsbruck wiederherzustellen und konkret zu verbessern – insbesondere in Richtung Frankfurt und Wien. Die IV Tirol sieht darin eine strategische Chance, die Standortqualität für exportorientierte und international tätige Industrieunternehmen gezielt zu stärken.


