Für die IV Tirol ist klar: Der Brenner Basistunnel (BBT) ist der Schlüssel zur Entlastung der transitgeplagten Tiroler Bevölkerung und Wirtschaft. Sein volles Potenzial kann das historische Infrastrukturprojekt jedoch nur entfalten, wenn alle beteiligten Staaten und Regionen jetzt die richtigen Schritte setzen.
Mit dem gestrigen Durchstich wird ein Stück europäische Geschichte geschrieben: Nach jahrzehntelanger Planung, länderübergreifender Kooperation und der harten Arbeit aller Beteiligten verbindet der Brenner Basistunnel erstmals Österreich und Italien unter Tag – und eröffnet damit die reale Chance auf eine verkehrspolitische Neuordnung des alpenquerenden Transitverkehrs. Für Tirol rückt die dringend erwartete Entlastung von Bevölkerung, Wirtschaft und Umwelt endlich näher – wenn jetzt die richtigen politischen und infrastrukturellen Voraussetzungen geschaffen werden. „Der BBT ist die Lösung für das Transitproblem Tirols – vorausgesetzt, wir organisieren seine Befüllung“, betont Matthias Danzl, Werksleiter des EGGER Stammwerks in St. Johann und Verkehrsexperte der IV Tirol. „Da der deutsche Nordzulauf noch Jahrzehnte auf sich warten lässt, braucht es leistungsfähige Verlade-Terminals in Tirol, etwa in Kufstein oder Langkampfen. Nur so kann der Tunnel vom ersten Tag an genutzt werden und seinen Zweck erfüllen, Tirols Straßen zu entlasten.“
Infrastruktur und Verantwortung
Während 90 Prozent der Tunnelkilometer bereits ausgebrochen sind, fehlt ein tragfähiger politischer Konsens über die künftige Nutzung. Statt Planbarkeit dominieren Klagen, Blockaden und Zuständigkeitsgerangel – vor allem beim deutschen Nordzulauf. Heute verkehren rund 190 Güterzüge täglich über den Brenner. Der BBT könnte diese Kapazität nahezu verdoppeln – wenn grenzüberschreitende Anbindungen, Steuerungsmechanismen und rechtliche Rahmenbedingungen zeitgerecht abgestimmt werden. Industrievertreter und Logistikunternehmen sind sich einig: Die Harmonisierung der technischen und gesetzlichen Voraussetzungen zwischen Italien, Österreich und Deutschland ist überfällig. Signaltechnik, Zuglängen, Zulassungsverfahren – in der Praxis herrscht Flickwerk statt System. „Wir haben unter Tag ein grenzüberschreitendes Jahrhundertbauwerk beim dem jetzt endlich alles auf Schiene ist – aber über Tag nationale Unterschiede, die den reibungslosen Bahnverkehr erschweren“, so Danzl. „Diese Fragmentierung ist europapolitisch untragbar. Eine technische Standardisierung ist überfällig und nicht länger verhandelbar.“
Grenzüberschreitendes Verkehrsmanagement
Unklar bleibt auch, wie das politisch angekündigte Slot-System konkret ausgestaltet werden soll. „Die Wirtschaft braucht keine zusätzlichen bürokratischen Hürden, sondern ein funktionierendes, digitales Verkehrsmanagementsystem, das Kapazitäten steuert und Planbarkeit ermöglicht. Wie dieses System konkret aussehen soll, ist bislang nicht erkennbar – und das beunruhigt nicht nur die Industrie, sondern auch die Logistikpartner, mit denen wir im ständigen Austausch stehen“, sagt Danzl. „Solange offenbleibt, wie ein solches Slot-System grenzüberschreitend funktionieren soll, droht genau das, was wir verhindern wollen: ein weiteres bürokratisches Monster ohne Wirkung auf den Transitalltag.“
Stillstand der Politik
Zugleich kritisiert die IV Tirol die politische Zurückhaltung auf Bundes- und europäischer Ebene. „Es ist bezeichnend, dass ein weiteres Jahr vergeht, ohne dass es beim Transitthema spürbare Fortschritte gibt. Die Bundesregierung hält sich zurück, Deutschland verschleppt den Nordzulauf, Europa ringt um Standards – und in der Zwischenzeit wächst der Druck auf Bevölkerung, Umwelt und Wirtschaft. Wer den Brenner Basistunnel ernsthaft nutzen will, muss jetzt handeln – sonst bleibt die in Aussicht gestellte Entlastung ein unerfülltes Versprechen“, warnt Danzl.
Bekenntnis zur Umsetzung
Für Tirol ist der heutige Durchstich ein wichtiger Schritt, um den stetig steigenden Belastungen durch den Transitverkehr endlich wirksam zu begegnen. Der Brenner Basistunnel wird dabei eine zentrale Rolle spielen – wenn jetzt die richtigen Entscheidungen getroffen werden: mit konkreten Maßnahmen, grenzüberschreitender Koordination und politischem Willen. Nur wenn alle Beteiligten handeln, wird aus dem technischen Erfolg ein verkehrspolitischer Fortschritt – für die Menschen und die Umwelt im Land.


